Laudatio von Helke Sander

Die Laudatio von Filmemacherin Helke Sander auf Ursula Höf während der Eröffnungsfeier von Filmplus am 21. Oktober 2016:

Liebe Anwesende,
Liebe Olla, 

Ich nehme an, du bist etwas nervös in Erwartung einer Rede auf dich, ein bisschen stolz und hoffst, dass kein Blödsinn erzählt wird, nichts Intimes, aber aber auch nichts Wichtiges vergessen wird. Das versuche ich. 

Die Anfangszeiten unserer Bekanntschaft sind ein bisschen nebelhaft. Wir haben uns irgendwann 1971 kennengelernt, weil wir im gleichen Haus wohnten und uns bei Begegnungen im Treppenhaus höchstens knapp grüßten. Dann stellte sich heraus, dass wir zu zwei verschiedenen Fraktionen der Frauenbewegung gehörten, ich zum im Januar 1968 gegründeten „Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“ der wegen Überfüllung und Chaos mehr oder weniger schon Ende 1969 kollabierte und Olla zum „Sozialistischen Frauenbund Westberlin“. Die beiden Richtungen waren sich nicht grün, der Frauenbund hatte den Aktionsrat wie wir fanden, feindlich übernommen. Da ging es gesitteter zu, da gab es Schulungen und da saß also auch Olla. 

Meiner Erinnerung nach war das auch der Anlass dazu, dass wir zum ersten mal auf der Treppe miteinander sprachen. Von mir aus in dem Ton von: Was machst du denn beim SFB?! (Sie hatten die gleiche Abkürzung wie der Sender Freies Berlin.) Obwohl sich also die Gruppen gegenseitig beharkten, entstand damals zwischen uns Sympathie. 

Dazu kam, dass wir nun Näheres über uns erfuhren. Ich hatte meine ersten Filme gedreht und Olla arbeitete als Cutter-Asssitentin. Wie viele Berufe in der Branche änderten sich die Berufsbezeichnungen mit den Jahren. Heute heißt es nicht mehr Regisseuse und aus der Cutterin wurde eine Editorin und aus dem Neger ein Schwarzer oder Farbiger.

Olla zog irgendwann aus, aber irgendwie müssen wir uns immer wieder in diesen Jahren begegnet sein, meist in frauenpolitischen Angelegenheiten, auf Demos gegen den 218 oder im Kino. Und in dieser Zeit war Olla längst keine Assistentin mehr, sondern schnitt viele Kinderfilme und engagierte sich schon in der Gewerkschaft RFFU – wie ich kürzlich nachgelesen habe in der Zeitschrift „Frauen und Film“, Nr.9 von 1976.  Einer Nummer, die sich ausschließlich der Arbeits- und Lebensweise von Cutterinnen verschrieben hatte und in der Olla den Beitrag über „Die Arbeit einer freien Cutterin“ verantwortete. 

Irgendwie spielte in unserer Beziehung auch ihr Verhältnis zu Skandinavien dabei eine kleine Rolle. Sie sprach schwedisch, das verstand ich damals auch noch, weil es die 2.Sprache in Finnland war, wo ich lange lebte. Jedenfalls waren wir soweit bekannt und hatten einen gewissen Draht zueinander, dass ich Olla für den Schnitt an ReduPers 1977 haben wollte. Und von da an datierte dann auch eine langjährige Freundschaft. Dazu mussten wir uns nicht dauernd sehen oder telefonieren oder wissen, was wir gerade machen. Die Berufe bringen es ja auch mit sich, dass man wenig Zeit  für solche Mitteilungen hat. Aber damals wurde der Grund gelegt für ein Gefühl der Verlässlichkeit und der Professionalität, an das wir immer wieder anknüpfen konnten.

Geißendörfer Ehrenpreisträgerin 2016 - Ursula Höf während der Laudatio von Helke Sander

Als ich seit Anfang der 1980er Jahre Professorin an der HFBK in Hamburg war, hatte ich Drittmittel aufgetrieben für den Film Die Gedächtnislücke, der aus lauter Filmminiaturen von je circa drei Minuten Länge bestand und von ca. 30 verschiedenen Studenten zum Thema Gift gedreht wurde. Anlass war ein damals bekannter Skandal in Hamburg, der von der Firma Stoltzenberg ausging, auf deren Gelände mit Chemikalien spielende Kinder verunglückten. Für die Oberaufsicht über den  Schnitt der Studentenarbeiten konnte ich Olla gewinnen. Für die Studierenden war es die Einführung in die Praxis des Schnittes und gleichzeitig die Arbeit an einem langen Film, der dann auch auf der Berlinale im Forum lief. Das hatte wiederum zur Folge, dass einige Studierende auch weiter mit ihr in Kontakt blieben und sich von ihr zu Cutterinnen ausbilden ließen, bzw. sie ihrerseits für ihre späteren Projekte engagierten, was dann dazu führte, dass Olla überhaupt in Hamburg Fuß fasste, neben allen möglichen anderen Orten, an denen sie sich mit der Zeit festsetzte und es (vor der Handy-und Internetzeit) schwer machte, sie überhaupt irgendwo zu erreichen.

Diese wahrscheinlich damals entstandene Lust, ihr Wissen auch weitergeben zu wollen, hat sich dann fortgesetzt in den Jahren an den Filmhochschulen Ludwigsburg und Köln, wo sie bis heute regelmäßig lehrt und bei vielen anderen, die sie ausgebildet hat. Simone Klier schrieb mir dazu Folgendes: „Ich kann sagen, dass sie für mich eine Mentorin und auch Freundin war. Sie hat mir wichtige Dinge meines Berufes nahegebracht und mich darin unterstützt, selbst zu schneiden. Deswegen ragt sie aus der Gruppe der Editoren heraus, mit denen ich gearbeitet habe.“

Jedenfalls gibt es aus dieser frühen Zeit immer noch Kontakte zu einigen dieser ehemaligen Studentinnen und Studenten. Das hat sicher viel mit Ollas Gefühl für Treue und Verlässlichkeit zu tun. 

Auch wir haben immer wieder an mehreren Filmen zusammen gearbeitet. Sie dafür zu kriegen, war später gar nicht mehr so leicht, weil sie gut im Geschäft und immer schon lange im Voraus ausgebucht war. Das hat mich oft richtig neidisch gemacht. Sie stieg ja wie die meisten Gewerke immer erst in die Filme ein, wenn sie finanziert und oft schon abgedreht waren, während bei den Regisseuren oft Jahre vergingen, bevor sie wieder allein oder mit Hilfe von Produzenten das Geld für den nächsten Film zusammen hatten. Insofern verkörpert Olla im besten Sinn die Filmbranche, sie kennt im Gegensatz z.B. zu mir alle, sie hat auf verschiedenen Ebenen schon mit allen gearbeitet und durch die Jahrzehnte kontinuierlich alle technischen Neurungen mitgemacht. Diese Kontinuität lassen heute die meisten Regisseure gegen ihren Willen vermissen. Das ist aber eine andere Baustelle.

Jedenfalls hat es auch bei uns zu mehreren Filmen gereicht. Was ich immer bewundert habe, war ihre Musikalität, die sie in den Schnitt übertragen konnte. Das bezieht sich sowohl auf ihr Gefühl für Rhythmus, aber auch auf ihr musikalisches Wissen. Damals arbeiteten wir oft mit zehn Tonspuren am Schneidetisch, d.h. jeweils mit zwei, die dann in der Mischung zusammenlaufen mussten. Und jeder Ton wurde für den Film extra aufgenommen. Heute gibt es die sogenannten Atmosphären und Geräusche für jede Gelegenheit von der CD und in jeder möglichen Ausführung, wie etwa: leichter Regen, Landregen, Platzregen, Tropenregen, Regen mit Hurrikan usw. Aufnahmen, die meist gut aufgenommen sind, aber auch eine gewisse Sterilität haben. Wenn man in irgendeinem Film zum x-ten Mal den gleichen Esel schreien hört, dann weiß man schon, von welcher CD und welcher Firma dieser Schrei kommt. Und was er gekostet hat. Die Arbeit am Ton hat mir mit Olla immer große Freunde gemacht und sie würde wahrscheinlich diesen Esel nicht verwenden. 

In dem Buch „Filmschnitt-Bekenntnisse“ beschreibt Ursula Höf selber in sehr schöner Weise ihren anfänglichen Werdegang, der von Zufällen, von Glück, Hartnäckigkeit, Fantasie und auch Entbehrungen geprägt war. Gleichzeitig bekommt man aber auch einen Eindruck von dem ganzen Gefüge der Filmarbeit, von der Bedeutung, die Editoren für das fertige Produkt, wenn sie Gelegenheit haben, mit ihrem Wissen und Können zum Gelingen beizutragen.

Und noch etwas möchte ich am Schluss hinzufügen.  Man sagt, dass der größte Teil der ehemaligen Westdeutschen noch nie in der alten DDR war. Das kann man Olla nicht nachsagen. Sie hat sogar mit gutem Beispiel zur Wiedervereinigung ganz persönlich beigetragen. Seit vielen Jahren lebt die Westfrau mit dem Ostmann Hans Busch zusammen – und es klappt!

Die Geißendörfer Ehrenpreisträgerin Ursula Höf mit Laudatorin Helke Sander und dem Filmplus-Team